Sublime Frequencies


Doueh

Großes Konzert gestern im Kölner Stadtgarten: Das Sublime Frequencies-Label brachte zwei Interpreten aus der arabischen Welt: Die Group Doueh mit ihrer seltsamen und nicht wirklich klassifizierbaren Mélange aus Wüsten-Psychedelia und traditioneller Tanzmusik, und den frenetischen Dabke-Dancefloor des Syrers Omar Souleyman.

Sublime Frequencies ist das Label von Alan Bishop, Mitglied der legendären Sun City Girls, und Hisham Mayet. Beide sind Archäologen des Untergrunds, der sich unter der Oberfläche der „Weltmusik“ verbirgt: Die Platten, die auf ihrem Label erscheinen, sind keine vermeintlich authentischen Urmusiken, keine offiziell sanktionierte Klassik, kein massenkompatibler Mainstream und noch weniger westlich verwässerte Sound-Tapeten mit exotischen Ingredienzen. Auf Sublime Frequencies finden sich die hybriden, rumpeligen, kitschigen oder schrillen Bricolagen, die aus der Kollison der Kulturen entstehen, dort wo der Wille, etwas zu machen, mit begrenzten Mitteln fertig werden muss.

Die Ästhetik des Labels ist eher Punk als Ethnologie. Das Anti-Design der Plattencover zum Beispiel zitiert die krude Gestaltung vieler Cassetten und CDs aus der Dritten Welt, aber erinnert auch an das handfeste Copy-and-Paste der Punk- und Fanzine-Kultur. Die Platten wirken oft wie Mixtapes, zusammengestellt aus Privatarchiven, und mit bereitwillig in Kauf genommenen Defiziten in Aufnahmtechnik und Akustik – „Fidelity be damned!“. Man hat dem Label darum bisweilen Oberflächlichkeit vorgeworfen. Ich sehe darin eher den Versuch, Exotik als etwas Herausforderndes zu behaupten, eine subversive Spur von Unberechenbarkeit und Geheimnis zu legen in einer musikalischen Landschaft, in der alles gefunden, ausprobiert und entdeckt worden zu sein scheint.

Das wird schon deutlich in dem Anti-Dokumentarfilm Palace Of The Winds, der das Konzert eröffnet: Ein unkommentiertes und unbehauenes Protokoll einer Reise durch die marokkanische Provinz, durch spröde und seltsame Landschaften, und durch Städte und Dörfer, in denen die Zeit nicht stehengeblieben, sondern in ein zähes Parallelluniversum abgeglitten ist. Dazu immer wieder laute, scheppernde und rauhe Musik aus Hinterhofstudios und von privaten Feiern. Seltsame Musik ist das: Billig, zebrechlich, trotzdem kraftvoll, hypnotisch und intensiv. Eine lange Sequenz mit bizarren Bildern von einem Straßenmarkt, auf dem es getrocknete Chamäleons zu geben scheint, wird von einem sägenden Wüstenblues begleitet, in dem ein Kehlkopfsänger mit einer Hydra aus E-Gitarre und Handtrommel zu ringen scheint.

Die Group Doueh, die ebenfalls im Film vorkommt, ist ein fabelhaftes Beispiel für die Momente, nach denen Bishop und Mayet suchen: Gitarrist Doueh ist ein eigenwilliger Stilist, der Spurenelemente aus Rock-, Blues- und Reggae mit seiner lokalen Musiktradition verschmilzt. Hendrix sei sein großes Vorbild, heißt es im Covertext, und tatsächlich legt er zwischendurch auch mal ein Solo mit der Gitarre über und hinter dem Kopf hin. Eher schüchtern als spektakulär, aber sympathisch. Live klingt die Band allerdings bei weitem nicht so spröde und rauh wie auf den CD-Aufnahmen, die Sublime Frequencies veröffentlicht hat: Das liegt vor allem an einem überaus präsenten Keyboard, das funkige Bläser-Riffs unter den muskulösen Gesang pumpt und die Handtrommeln durch vorprogrammierte Rhythmen ersetzt.

Druckvoll und energiegeladen ist der Auftritt trotzdem. Aber man merkt daran, dass die Anti-Weltmusik des Sublime-Labels auch nicht ganz ohne Mystifizierung auskommt, auch wenn die Akzente anders liegen als beim Mainstream der Weltmusik. Vor dem Konzert erzählt Mayet, er habe Douehs Musik eines Tages zufällig beim Scrollen durch marokkanische Radiosender gehört und sei sofort begeistert gewesen. Aufnehmen konnte er nur ein Fragment, und als er sich damit auf die Suche nach dem sonderbaren Gitarristen machte, blieb das zunächst erfolglos: Im Norden hatte man keine Ahnung und rümpfte eher die Nase über die rohen Klänge aus dem Süden. Und die Reise entlang der marokkanischen Küste brachte auch keine heiße Spur. Erst im Provinzstädtchen Dakhla lotste ihn jemand in ein Aufnahmestudio: Dort könne man ihm sicher weiterhelfen. Dem Betreiber des Studios spielte er die Aufnahme vor, und der grinste breit: „Das bin ich. Das ist meine Musik.“

Eine hübsche, natürlich auch überaus romantische Anekdote, die Expedition zum Savant isolé aus der Wüste – Mr Doueh, I presume?

Omar Souleyman

Omar Souleyman ist ein etwas anderes Kaliber: Der braucht Sublime Frequencies nicht, um ein Star zu werden, der ist schon einer. Zumindest in der Dabke-Szene, einer fröhlichen Dancefloor-Subkultur aus Syrien. Hier sind es nicht Blues, Rock und Psychedelia, sondern House, Techno und HipHop-Beats, die sich mit traditionellen Formen vermischt und einen frenetischen, extrem tanzbaren Bastard hervorgebracht haben. Angeblich hat Souleyman über 500 Cassetten veröffentlicht, und auf YouTube lassen sich einige Videos von Auftritten im syrischen TV finden. Auch hier zeigt sich, dass es neben der trashigen Seite dieser Musik, die auf den Sublime-Veröffentlichungen von Souleyman zu finden ist, auch glatter produzierte und fast elegante Varianten gibt. Man vergleiche zum Beispiel das hektische Leih Jani mit diesem Song, der sogar ein bisschen an Urban Soul erinnert. (Das grandiose Video, in dem ein eher unbeholfener Souleyman einen Strandfelsen herunterklettern muss, um einer lokalen Schönheit ein paar Ratschläge für’s Leben zu geben, ist ein Extra-Bonus.)

Bemerkenswert an Souleymans Auftritt war die kuriose Besetzung: Neben dem Sänger selbst waren zwei Musiker auf der Bühne, ein Keyboarder und ein Saz-Spieler. Und dann war da noch ein dritter Mann, der ab und zu mal ein Laptop im Hintergrund kontrollierte, dann und wann Souleyman ins Ohr flüsterte und ansonsten einfach mitklatschte. Vorgestellt wurde er schließlich als

Mahmoud Harbi, a long-time collaborator and the man responsible for much of the poetry sung by Souleyman. [He] accompanies Omar for an unforgettable onstage collaboration as they perform the Ataba, a traditional form of folk poetry, where Omar’s unaccompanied freestyle „mawal“ singing stands in a league of its own.

Leider erläutert der Text nicht, wie Ataba und Mawal genau funktionieren. Was bekommt Souleyman ins Ohr geflüstert? Verse? Stichworte? Und wie werden diese Texte variiert und gesungen?

Sei’s drum. Grandioses Konzert. Ich hoffe, den Musikern hat es genau so Spass gemacht wie dem Publikum.

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