Ich hatte am Freitag in Bonn zu tun, und der Weg führte auch am Gelände des geplanten WCCB vorbei. Städtebaulichen Roadkill begutachten: Das wird vermutlich in den nächsten Jahren eine Beschäftigung, der man öfter frönen kann als gut sein dürfte.
Es war in der Tat wenig los auf dem „Bau, von dem die Arbeiter flohen“ (wie der Express formulierte), zwar nicht unbedingt „Geisterstimmung“, eher Wochenendatmosphäre: Hier und da sah man ein paar Arbeiter, die möglicherweise tatsächlich damit beschäftigt waren, ihre Werkzeuge aufzuräumen und fortzuschaffen. Um das Gelände herum war die Betriebsamkeit deutlich höher: Die Stadt will die Heussalle in einen „Boulevard“ verwandeln, um dem WCCB und den umliegenden Gebäuden ein würdiges „Entrée“ zu verschaffen, wie die überall herumstehenden Plakate erläutern. Das Entrée droht nun freilich erst mal in ein Niemandsland zu führen.
Das WCCB (World Conference Center Bonn) ist das geplante internationale Konferenzzentrum auf dem Areal des früheren Deutschen Bundestags. Ein Prestige-Projekt, das gerade zu einem grandiosen Fiasko zu werden droht: Explodierende Baukosten, Korruptionsverdacht, politische Inkompetenz – es ist alles drin, was zu so einem kommunalen Desaster gehört.
Die Stadt Bonn hat ja ein nicht gerade alltägliches Problem zu bewältigen: Wie managed man den Wandel von einer Hauptstadt mit weltpolitischer Bedeutung (wenn auch eher verschlafenem Flair) zu einer nicht überaus großen Stadt mit, nun ja, deutlich weniger weltpolitischer Bedeutung (und eher verschlafenem Flair). Das ist nun wirklich keine beneidenswerte Aufgabe. Kein Wunder, dass die Kommunalpolitik erst mal versucht, so viele Reste welt- und bundespolitischen Anspruchs zu retten wie möglich. Und so beharrt man in Bonn eben auf seinem Anteil an Ministerien, Verbänden, Gremien, UN-Delegationen, ob das nun administrativ, logistisch und organisatorisch sinnvoll ist oder nicht. Vor lauter Beharrungsvermögen kommt freilich kaum jemand dazu, sich eine andere Zukunftsperspektive für die Stadt auszudenken als die eines Stützrädchens im welt- und bundespolitischen Getriebe.
Für viele Kommunalpolitiker ist der Wettbewerb der Standorte zunächst einmal ein Rüstungswettlauf um repräsentative Statussymbole. Es geht darum, sich in einem irgendwie globalen Maßstab als „Metropole“ für dies oder jenes zu profilieren, mindestens als „second city“. Metropole wird man nicht so ohne weiteres, also wird erst mal gebaut, gerne in Dimensionen, die mehr mit dem Anspruch zu tun haben, als mit der möglichen Realität.
Wie es mit dem Bonner Projekt weitergeht, weiß im Moment keiner. Die Bauarbeiten sind zwar – wie es heißt – zu 87 Prozent abgeschlossen, aber im Zuge der aktuellen Ereignisse kommt kaum noch was voran. Bald ist Winter, und hätte die Stadt eine verwaiste Großbaustelle an der Backe, mitten im „very heart of the Federal Quarter“.
Verwaist ist im übrigen auch die Website des Projekts, die Verantwortlichen scheinen ebenso fluchtartig Reißaus genommen zu haben wie die Bauarbeiter: Auf die aktuellen Entwicklungen gibt es dort keinen einzigen Hinweis, die News-Seite schleift lediglich ein paar Nettigkeiten zum Standort durch. Ansonsten freut man sich (in etwas schiefem Deutsch) schon im Präsens: „Das World Conference Center Bonn ist einmalig: Nur hier kann man tagen, wo früher die Bundestagsabgeordneten debattierten.“
Schreiben Sie einen Kommentar