Botschaften


Türkei
Türkei.

Ich habe noch einen alten Stadtplan von Bonn, und den nehme ich immer mit, wenn ich dort zu tun habe. Darin sind nämlich all die Botschaften und Konsulate eingezeichnet, die es in Bonn gab, als die Stadt noch „Bundeshauptstadt“ war. Jetzt ist Bonn nur noch „Bundesstadt“, ein seltsamer verwaltungstechnischer Kompromisstitel. Eine bürokratische Art, das Haupt zu tätscheln, das man dann doch abschlägt.

Albanien
Albanien.

Die Botschaften gibt es nicht mehr. Einige Länder unterhalten noch Konsulate, Handelsvertretungen oder sonstige Anlaufstellen in den ehemaligen Botschaftsgebäuden. Einige Anwesen sind inzwischen an neue Besitzer verkauft: Vor allem bei den gründerzeitlichen Villen in Bad Godesberg dürfte es den Maklern leicht gefallen sein, interessierte Ärzte, Rechtsanwälte oder Architekten zu finden. In den meisten Fällen erinnert dann nur noch eine übrig gebliebene Fahnenstange daran, dass hier mal eine diplomatische Vertretung ansässig gewesen ist.

Iran
Iran.

Es gibt aber auch einige Gebäude, für die sich nicht so leicht neue Besitzer finden lassen. Das hat unterschiedliche Gründe, mal liegt es an „überhöhten Kaufpreiserwartungen“ der ehemaligen Besitzer, mal an bürokratischen Zähigkeiten, oder einfach daran, dass die Gebäude nicht mehr dem Zeitgeschmack entsprechen und über die Jahre auch schon ordentlich gelitten haben. Der Bonner General-Anzeiger zählte im vergangenen Jahr (in einem Artikel, der Tags darauf wortgleich im Kölner Stadt-Anzeiger erschien) noch 24 verwaiste Anwesen, für die sich bisher kein neuer Verwendungszweck hat finden lassen.

Jugoslawien
Jugoslawien.

Interessant ist der Fall der ehemaligen jugoslawischen Botschaft. Jugoslawien gibt es nicht mehr, und wer der rechtmäßige Besitzer des Gebäudes ist, scheint unklar. Wie wurde das bei den anderen jugoslawischen Botschaften in der Welt geregelt? Wurden die alle von der „Bundesrepublik Jugoslawien“ übernommen? Oder einfach von dem Land, zu dem sich der jeweils amtierende Botschafter bekannte? Auch wenn Botschaften streng genommen nicht wirklich exterritoriales Gelände sind, ist es doch amüsant, sich vorzustellen, das hier nun quasi ein politisches Vakuum enstanden sein könnte, ein Non-Territorium, das nur darauf wartet, Heimat einer Mikronation zu werden.

Ghana
Ghana.

Für einige Staaten der Dritten Welt war der Umzug nach Berlin nicht nur ein logistisches, sondern auch ein finanzielles Problem. Aus dieser Perspektive erscheint die Verlegung der Hauptstadt plötzlich als eigensinniges Luxusprojekt. Die Gefahr einer Teilung der diplomatischen Welt in reiche „Berliner“ und arme „Bonner“ Staaten ist ja inzwischen beseitigt. Ob dabei auch finanzielle Förderung geflossen ist (wie im Artikel gefordert), weiß ich nicht. (Das erwähnte „alte Auto ohne Nummernschild“ scheint übrigens immer noch da zu sein, bzw. zwei solcher Autos stehen auch heute unter dem Kameruner Botschaftsgebäude.)

Kamerun
Kamerun.

Der Vatikan hat natürlich keine ordinäre Botschaft, sondern eine „Apostolische Nuntiatur“. Eigentlich befindet die sich seit 2001 in Berlin, und das vatikanische Wappen wurde mit großem Zeremoniell vom Bonner Gebäude entfernt. Das Eingangsschild ist scheinbar nicht so einfach ab zu bekommen.

Vatikan
Vatikan.

Es gibt ein paar berühmte, spektakuläre Ereignisse, in denen Botschaften eine Rolle gespielt haben: Besetzungen, Geiselnahmen, Demonstrationen. In der Regel sind Diplomatenviertel aber eher unspektakuläre Zonen. Erst recht hier in Bonn, der unspektakulärsten aller westlichen Hauptstädte. Rund um die Godesberger Rheinallee dürfte es vor der Wiedervereinigung nicht weniger beschaulich zugegangen sein als heute. Aber gerade die Diskrepanz zwischen dieser sichtbaren Beschaulichkeit und der Unsichtbarkeit der politischen und historischen Episoden, die hier stattgefunden haben mögen, die Telefonate, Konferenzen, diplomatischen Visiten, hat einen besonderen Reiz.

Ägypten
Ägypten.

In Gedanken kann man die Gemütlichkeit dieser gutbürgerlichen Straßen mit einer bunten Truppe kosmopolitischer Phantome bevölkern. Etwa mit einer exklusiven Abendgesellschaft, die sich zur Soirée in der großbürgerlichen ägyptischen Botschaft eingefunden haben mag, oder mit ein paar grimmig dreinschauenden südamerikanischen Intellektuellen, die in abgewetzten Cordjacken und mit Rollkragenpullovern frierend vor der Repräsentanz Chiles stehen, mit nichts als ein paar wütenden Anti-Pinochet-Transparenten bewaffnet.

Ungarn
Ungarn.

Besonders interessant sind natürlich die Gebäude, die in den Nachkriegsjahren gebaut und explizit als Botschaften gedacht waren. Im Unterschied zu den vielen Bürgerhäusern, die in Godesberg als Botschaften dienten, sollten diese Repräsentanzen, abgesehen von ihrer Funktionalität, auch im übertragenen Sinn repräsentativ für den Staat sein, den sie repräsentierten, seine Leistungskraft, Bedeutung, Modernität nach außen darstellen. Vor allem auf die Modernität scheint man dabei Wert gelegt zu haben: Man findet sachliche, brutalistische, pop-artige Elemente, aber relativ selten mehr als nur stilisierte „nationaltypische“, folkloristische oder traditionalistische Accessoires. Bermerkenswert ist aber vor allem, dass sich die meisten Bauwerke relativ gut in das bundesrepublikanische Understatement einfügen, das so typisch für die Bonner Republik war.

Libanon
Libanon.

Es gibt natürlich auch ein paar Ausnahmen. Zum Beispiel die Conducator-Pop-Art der rumänischen Botschaft, deren Lage selbst buchstäblich etwas exzentrisch ist, ganz im Norden Bonns, ein gutes Stück von den sonstigen diplomatischen Hot-Spots entfernt.

Rumänien
Rumänien.

Die ehemalige saudi-arabische Botschaft wirkt dagegen, verglichen mit dem, was am Golf aktuell so gebaut wird, fast schon bescheiden.

Saudi-Arabien
Saudi-Arabien.

(Fortsetzung folgt.)

3 Antworten

  1. großartiger beitrag; großartiger blog

    – vielen dank dafür!

  2. Vielen Dank für den Text und die Bilder. Grüße aus Bonn!

  3. Nichts zu danken. Wenn ich demnächst dazu komme, folgt auch tatsächlich mal eine Fortsetzung.

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