Ein makellos blauer, von keinem Kondensstreifen durchfurchter Himmel über den Anlagen des ehemaligen Regierungsbunkers bei Ahrweiler: Ein seltsames Idyll, wie ein ironischer Kommentar über Endzeit-Erwartungen und apokalyptische Schutzmaßnahmen, an diesem Frühlingswochenende unter der Asche eines randalierenden isländischen Vulkans. Der Untergang einer Welt muss gar nicht so schlimm sein, die Apokalypse könnte auch in Form einer Farce geschehen, und dann ist es wirklich angenehmer, draußen durch die Weinberge zu spazieren, als sich in einen öden Bunker unter einen Berg zu verkriechen und zu hoffen, dass alles irgendwie vorbeigeht.
Die Bunkeranlagen sind selbst schon so etwas wie eine Farce: Einem gezielten Atomschlag hätten sie vermutlich kaum Stand gehalten, weil sie nach veralteten Maßstäben berechnet war, aber man hatte nun schon mal angefangen mit dem Bau, also musste das Zeug auch fertig gestellt werden.
Gerade einmal einer 20 Kilotonnen-Bombe, vergleichbar mit der Sprengkraft einer „Hiroshima-Bombe“, hätte die Bunkeranlage standgehalten. Schon geheime Gutachten aus dem Jahre 1962 rechneten mit 250-fach stärkeren Waffen […]. Die Explosion einer solchen Fünf-Megatonnenbombe hätte den Weinberg samt Bunker zu Staub zerblasen. Die Erschütterung hätte alle Beteiligten als nuklearen Fallout über den Rhein verstreut.
Oder vielleicht als feinen Aschestaub in die Atmosphäre geschleudert, nur dass es dort vermutlich keinen Luftverkehr mehr gegeben hätte, den diese Wolke hätte behindern können. Wie dem auch sei, der Bunker wäre jedenfalls in etwa so funktionstüchtig und zuverlässig gewesen wie aktuell die Sicherungssysteme, Aufsichtsgremien und Kontrollbürokratien der Finanzwirtschaft und etwa so hilflos wie die internationale Luftfahrt beim Auftreten einer Aschewolke von ungeheuren Ausmaßen.
Die Erde ist nicht nur zu klein für Fortschritt und schnellen Profit, sondern vielleicht auch – und das ist beunruhigend – für Demokratie, Frieden und Seelenfrieden. Wir werden immer wieder erschüttert und erschreckt durch eine Synchronisation der Emotionen, die die Standardisierung der Meinungen ersetzt. Ich habe das den Kommunismus der Affekte genannt. Auf die Interessensgemeinschaft der sozialen Klassen, des Kommunismus, ist eine Emotionsgemeinschaft gefolgt, und das ist in der Tat beunruhigend.
Es gibt halt immer einen Faktor, der das Kalkül durchkreuzt. Die atomare Apokalypse ist ausgeblieben, dafür haben wir jetzt eine possenhafte Apokalypse aus Aschestaub, während der man aber wenigstens wieder die Vögel singen hören kann. Der Luftraum soll heute wieder freigeben werden, und bald werden auch die ersten Kondensstreifen wieder ihre Kurzprosa über die Beherrschbarkeit der Elemente an den Himmel schreiben. So lange kann man den rebellischen Vulkan kaum besser würdigen als der isländische Schriftsteller Haukur Már Helgason:
Personally, I take a bit of pride in that anarchist volcano of ours, and suggest it will be considered as an honorary member of the Tarnac 9. As a manifesto it is obviously coherent with the ‚No demands‘ tactics of some recent movements both sides of the Atlantic. And as of yet the damage done by it more or less only hits polluting big business, already significantly lessening this year’s carbon footprint by amounts equal to the annual output of several third world states combined.
(Helgason-Zitat via.)
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