Das Archigram-Archiv


Archigram-Archiv

Website des Tages: Das Archigram Archival Project. Ein fabelhafter Fundus von Materialien zu dieser Architektengruppe, der „fast 10.000 Dokumente“ enthält, wie die „About“-Rubrik stolz behauptet, darunter Ausgaben des namensgebenden Magazins, Fotos, Grafiken, Entwürfe und mehr. Nicht nur die Menge des Materials ist beeindruckend, auch die Aufbereitung finde ich sehr gelungen und vorbildlich: Das ist ein Archiv, dass sich ebenso gut als Arbeitsgrundlage wie für’s neugierige Flanieren nutzen lässt.

Es ist natürlich ein wenig paradox, dass hier ausgerechnet Material der Archivierung und Historisierung übergeben wird, das sich ursprünglich gegen Bürokratismus, Historismus und Stagnation wandte. Architektur als visionäre Disziplin zu begreifen und nicht nur als Sachwalter bestehender politischer und sozialer Verhältnisse, Technologie als Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Lebensmodelle: In den Entwürfen von Archigram kamen die Städte in Bewegung, begannen zu laufen, zu schweben oder zu fliegen und waren keine feste Burg mehr, sondern so dynamisch wie die Gesellschaft selbst.

Es ging aber nicht nur um die Radikalität der Konzepte selbst, sondern auch um eine Zuspitzung und Neugestaltung des Redens darüber. Im namen. Archigram publizierte Entwürfe und Konzepte auch mal in Gedichtform oder als Comic-Strip. Das liess sich rezipieren und debattieren wie ein neues Rock-Album oder moderne Kunst.

Über die Debatten kamen Archigram allerdings nur selten hinaus. Ein bisschen ist ihre Position vergleichbar mit den Pionieren der elektronischen Musik: Kreative Vordenker, die als erste (oder wenigstens als nachdrücklichste) darauf insistiert haben, dass man mit Technik auch noch Besseres machen kann als nur laufende Prozesse zu vereinfachen. Was ihnen viel Lob und Weihrauch eingebracht hat, aber nur wenig konkrete Projekte (Rod Stewart liess sich mal einen Swimming-Pool anlegen). Das Geschäft mit den lukrativen Cover-Versionen und Mainstream-Derivaten machen heute bekanntere Namen wie Zaha Hadid oder Rem Kohlhaas, während die Archigram-Verantwortlichen immerhin ganz gut von ihrem Back-Katalog leben können.

Das Archiv-Projekt ist, in diesem Sinne, so etwas wie die webifizierte Version der Rock’n’Roll Hall Of Fame: Ein Haus aus den Knochen von Buckminster Fuller. (Und jetzt mache bitte jemand das Gleiche für’s geistes- und zeitverwandte italienische Superstudio.)

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