Im Waldlabor


Waldlabor

Im Südwesten Kölns, nahe der Stadtgrenze, gibt es ein merkwürdiges Areal. Auf den ersten Blick könnte man es für ein umgepflügtes Feld halten, wären da nicht ein paar geschotterte Wege, die leicht mäandernd über die Fläche führen, frisch gepflanzte Baumsetzlinge hier und dort und ein paar große Schautafeln. Das hier soll ein „Waldlabor“ sein, lesen wir auf einer Tafel, ein „Experimentierfeld“, auf dem „die Projektpartner Toyota, RheinEnergie und Stadt Köln […] neue Gehölze und Waldbilder“ erforschen und den Spaziergängern „neue Eindrücke und Informationen über den Wald der Zukunft“ präsentieren wollen.

Dieses Experimentierfeld, lesen wir weiter, ist noch einmal in vier Themenfelder unterteilt. Eines zum Beispiel widmet sich zum Beispiel dem „Klimawald“: Dort „haben wir gegen Trockenheit besonders resistente Arten gepflanzt. Wir testen, ob sie künftig eine größere Rolle in unseren Wäldern spielen könnten“. Das klingt nach einer interessanten Strategie: Statt die Ursachen des Klimawandels zu bekämpfen, einfach die Wälder ersetzen durch neue, die die Folgen besser aushalten.

Waldlabor

Bemerkenswert ist auch der „Wandelwald“, laut Beschreibung eine „neue Waldform“, schliesslich ändern sich „auch die Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger an den Erholungswald“. Der Wellness-Wald der Zukunft „besteht aus unterschiedlichen Baumarten und bietet deshalb zu allen vier Jahreszeiten ein abwechslungsreiches Bild“, was man von den Wäldern der Gegenwart offenbar nicht behaupten kann.

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Weiter wird es noch einen „Energiewald“ geben, der sozusagen als regenerierbare Rohstofffabrik funktionieren und zugleich landschaftsbildkompatibel sein soll, und ein kleines Fleckchen „Wildniswald“, das unbewirtschaftet bleiben wird. Die Wildnis ist aber offenbar am schwierigsten herzustellen, weswegen sie erst „zu einem späteren Zeitpunkt an den Start geht“. (Oder, in der interessanten Formulierung der Schautafel: „Natürliche Waldentwicklung (in Planung)“.)

Waldlabor

Vielleicht gibt es für den Mini-Urwald aber auch einfach noch keinen Sponsoren, die anderen drei Wäldchen sind nämlich paritätisch auf die aktuellen Projektpartner verteilt: Klimawald – Toyota, Energiewald – RheinEnergie, Wandelwald – Stadt Köln. Die Stadt lässt ihr Waldstückchen im übrigen durch eine Spendenaktion auffüllen: Wer will, kann für 4 Euro einen Quadratmeter Wald spenden, für 25 Quadratmeter muss man allerdings schon 150 Euro hinlegen. Nicht, weil die Stadt nicht rechnen kann (das ist ein anderes Thema), sondern weil man dann seinen Namen auf ein Messingschild graviert bekommt und auf einer der 25 Holzstelen, die „in den Hainen des Wandelwalds“ aufgestellt werden, von seiner Spende erzählen kann. Ein paar Stelen stehen schon herum, darauf sind auch einige prominente Namen zu lesen, aber warum man dafür Schilder nimmt, die ein Drittel des Spendenbetrags kosten, statt das Geld lieber für ein paar Quadratmeter Wald mehr auszugeben, könnten die vermutlich auch nicht erklären.

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Natürlich sind die Themen, um die es hier geht, alle wirklich interessant, und die Forschungsvorhaben sicher ernst gemeint. Aber die Anlage hat etwas Potemkinsches: Es ist halt noch nicht viel zu sehen vom Wald der Zukunft, nur ein paar noch recht dürre Setzlinge, in einer für einen Wald ungewöhnlich aufgeräumten Anordnung und in häßlichen grünen Plastikröhrchen, damit die Zukunft nicht durch Wildverbiß erledigt wird. Und dann ist das Areal auch noch an einem Ort, wo man sozusagen ein paar Ursachen des Klimawandels direkt im Blickfeld hat: Vis à vis steht das alte Verwaltungsgebäude der Rheinbraun (heute RWE Power), am Horizont qualmen die Kraft- und Chemiewerke des Industriegebiets Knapsack, und direkt am Waldlaborwald vorbei wälzt sich der Feierabendstau der A4.

Waldlabor

Nicht auszuschließen also, dass die Spaziergänger, die im Wandelwald irgendwann mal ihre neue Form des Erholungsbedürfnisses ausleben (wie vielleicht auch die Mitarbeiter der nahegelegenen Toyota-Zentrale in der Mittagspause) das ganze Projekt und seine zukunftsseligen Initiatoren ähnlich kommentieren wie hier Madeleine Gubb im Schweizer Film Home.

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(Hinweis: Ein paar Infos zum Waldlabor und die Texte der Schautafeln gibt es auf der Website der Stadt Köln.)

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