Exit Mundi


Falls Sie immer schon mal wissen wollten, wie das Unterhaltungsprogramm im Restaurant am Ende des Universums aussieht: Vielleicht in etwa so wie Exit Mundi, die neue Produktion des Kölner A.Tonal-Theaters. Exit Mundi, nicht Exitus: So als wäre das Ende der Welt nicht ein Schlusspunkt, sondern ein Notausgang zu etwas anderem. Grundlage des Stücks ist das gleichnamige Buch von Maarten Keulemans, ein launiges Kuriositätenkabinett von Weltuntergangsszenarien, das seinerseits aus einer populären Website hervorging.

Keulemans Buch ist durchaus eine amüsante Lektüre, auch wenn der ausgesucht witzische Ton auf Dauer etwas strapaziös wirkt: Eckart von Hirschhausen für Katastrophennerds. Aber es gelingt ihm doch, die Quintessenz apokalyptischen Denkens auf den Punkt zu bringen: Die Welt ist ein zerbrechlicher Ort, Zerstörung und Vernichtung sind Teil des Programms und es ist besser, das rechtzeitig zur Kenntnis zu nehmen.

Kann man daraus gutes Theater machen? Tja, geht so. Das Beeindruckendste an der Bühnenfassung von Exit Mundi ist das Bühnenbild: Ein großer, grauer Baum beherrscht die Szenerie: Ein Denkmal vielleicht des berühmten Apfelbäumchens, das Luther angeblich noch am Tag vor dem Weltuntergang pflanzen wollte, ein Abbild des Atompilzes als modernem Sinnbild absoluter Zerstörung, oder ein Beispiel für den kontinuierlichen Ablauf von Vergehen und Werden, da für den Humus des Baumes die Knochen und Kadaver absterbender Organismen unersetzbar sind.

Vor diesem düsteren Monument entfaltet sich Exit Mundi als eine respektlose Revue, moderiert von einem Chor dreier Protagonisten, der ein paar Greatest Hits aus dem Buch als Sprechpartitur über fluffigen Elektro-Beats aufführt. Das hat einige schöne Momente, etwa in einem Schnelldurchlauf, wo das Ensemble in in einer Art Powerpoint-Karaoke durch ausgewählte Katastrophen prescht und vor lauter Untergangsfreude fast aus der Kurve getragen wird. (Dass die Szene eine Art Eigenparodie des Jandl-Stücks Wualitzaa ist, tut dem Vergnügen keinen Abbruch.)

Schade allerdings, dass die Bühnenversion nicht selbst zu einer wirklich apokalyptischen Perspektive findet. In der Katalogisierung der mal kuriosen, mal spektakulären, mal absurden Weltuntergangsszenarien hält das Stück eine Distanz, die auf Dauer eher desinteressiert wirkt. Das liegt vielleicht auch daran, dass Stück wie Buch von der Apokalypse im Grunde einen ähnlichen Begriff haben wie die Weltuntergangspropheten, die beide eher amüsiert betrachten. Der Weltuntergang ist demnach ein klar fixier- und beschreibbares Ereignis, dass im einen Fall als Drohung aufgemalt, im anderen als Kuriosität ins Kabinett verlagert, in jedem Fall aber auf Distanz gehalten werden kann.

Die Apokalypse, heißt es in Buch und Stück einmal, sind so etwas wie das Reformatieren der Festplatte. Wenn es nur das wäre. Tatsächlich ist die Apokalypse nichts, was erst in der Zukunft auf uns wartet, sondern sie ist Teil der Realität. Dazu gehört unter anderem die Erkenntnis, dass sich gar nicht so einfach sagen lässt, ob es überhaupt noch eine Festplatte gibt und ein Format, nach dem sie sich strukturieren liesse. „Was wir überwinden müssen“, schreibt Evan Calder Williams, „ist die Vorstellung, dass die Apokalypse etwas Ereignishaftes sei, eine Art Kahlschlag, der gleichzeitig einen neuen Nomos der Erde begründet. Was wir stattdessen brauchen, ist das Konzept einer kombinierten und ungleichzeitigen Apokalypse.“

Bücher wie Exit Mundi sind eher Fluchtversuche, um den drohenden Konsequenzen eines solchen Konzepts entkommen zu können.

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