Am Friesenplatz


Es regnet in Strömen, und ich mache, dass ich so schnell wie möglich zur Rolltreppe komme, die zur U-Bahn hinunterführt. Da drängelt sich ein älterer afrikanischer Mann vor mich, wortlos und ohne mich anzusehen, mit der gebeugten und leicht mürrischen Haltung von jemandem, der es nicht mehr gewohnt ist, um etwas zu bitten. Er trägt eine abgewetzte, hellblaue Skijacke und hat mehrere vollgestopfte Plastiktüten dabei: Ich weiß nicht, ob sie seinen ganzen Besitz enthalten, dafür sind sie eigentlich zu klein und zu wenige. Aber wer weiß schon, wieviel Besitztümer so ein Mensch überhaupt noch zu transportieren hat. Und an den Tüten, die er da mit sich schleppt, hat er schon einiges zu tragen: Er balanciert sie zwar recht geübt, aber eine Jute-Tasche mit langen, dünnen Trägern baumelt ziemlich widerspenstig um seine Beine. Die Tasche sieht sehr sauber aus, fällt mir auf, und ich schaue auf den Aufdruck, das Signet eines Drogeriemarktes, der gerne mit Goethe-Zitaten wirbt. Eines steht auch hier drauf:

Wie herrlich leuchtet
Mir die Natur!
Wie glänzt die Sonne!
Wie lacht die Flur!

Der Zufall hat manchmal schon einen komischen Humor, denke ich mir, während er mit seinem Gepäck in eine andere Richtung weitertaumelt. Auch darum wird es Zeit, dass endlich Frühling wird: Wenn so jemand schon vom leisen Spott des Schicksals überzogen wird, dann soll er wenigstens nicht frieren müssen dabei.

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