Sowjetische Bushaltestellen


Bushaltestelle
Unter den Ausstellungen, die ich im letzten Jahr besucht habe, war eine der schönsten die mit Fotos armenischer Buswartehäuschen. Die Bilder waren von Ursula Schulz-Dornburg, Fotografin aus Düsseldorf. Wer die Stadt-Revue liest, wird sich vielleicht erinnern, dass ein paar darin abgedruckt waren: Wellen, Regenschirme und Pilze aus Beton und Rost, stehengelassen in Landschaften von beckettscher Eintönigkeit. An einigen Haltestellen stehen Menschen und warten, aber niemand scheint dabei besonders ungeduldig zu sein.

Schulz-Dornburg ist nicht die einzige, die diese sowjetischen Wartehäuschen faszinierend findet: Auch der kanadische Fotograf Christopher Herwig hat ein paar davon fotografiert, und einige Bilder sind jetzt im WebzinePolar Inertia zu sehen. Herwigs Bilder scheinen vor allem aus Zentralasien zu stammen, und auch bei ihm fällt der Kontrast zwischen der Kargheit der Natur und der schrillen Verspieltheit der Haltestellen auf. Weil bei ihm keine Menschen sind, wirken die Häuschen noch sinnloser: Wie unnütze Überreste eines demolierten Vergnügungsparks.

Man könnte nun natürlich spekulieren, warum ausgerechnet auf Bushaltestellen mit einer architektonischen Fantasie ausgestattet wurden wie sonst kaum andere Gebäude des Sozialismus, von ein paar ambitionierten Schaustücken mal abgesehen. Abgesehen davon, dass Bushäuschen billiger sind als Mehrfamilienhäuser, also ein Luxus, denn sich auch eine Kolchose mit bescheidenem Budget leisten kann. Vielleicht kommt das daher, dass die sozialistischen Architekten doch den transitorischen Charakter ihrer Gesellschaften geahnt haben? Ein betoniertes Symbol dafür, dass die bessere Zukunft möglicherweise doch nicht da stattfindet, wo man gerade ist, sondern mindestens eine Busreise weiter?

Viele dieser Häuschen, liest man bei Herwig, haben allerdings kaum noch eine Zukunft, sondern verstauben und verrotten im Steppenwind vor sich hin. Vielleicht haben viele der Fahrgäste sich irgendwann entschieden, nur noch den einen Bus zu nehmen und dann nicht mehr zurückzufahren.

(Via.)

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