Fontana Campari


Fontana Campari

Beim Sortieren einiger alter Fotos stoße ich grade auf dieses hier: Die Fontana Campari in Le Piastre, einem kleinen Dorf nördlich von Pistoia. Werbung als Monument: Der Brunnen ist ein letztes Überbleibsel einer seltsamen Marketing-Kampagne, über die ich leider nicht allzuviel weiß, aber die paar Informationen, die ich bisher auftreiben konnte, sind interessant genug, um sie hier aufzuschreiben (und vielleicht kommt ja jemand vorbei, der das eine oder andere ergänzen kann).

Entstanden ist dieser Brunnen wohl um 1937, als Teil einer sehr limitierten Serie von insgesamt zwölf Exemplaren. Meines Wissens existiert außer diesem hier allerdings nur noch ein Exemplar, das von 1931 stammen soll und sich auf dem Dorfplatz von Chiusi della Verna, ganz im Osten der Toskana, befindet. Der Entwurf zu den Brunnen stammt von Giuseppe Gronchi, einem Art-Déco-Bildhauer, der vor allem im Norden der Toskana aktiv war: Er produzierte u.a. Grabmäler für den Friedhof San Miniato, Stuckdekorationen für das Teatro Savoia in Florenz, aber auch eine Büste des Duce für die Thermen von Montecatini (die meines Wissens auch immer noch dort steht).

Fontana Campari

Wo die übrigen zehn Brunnen aufgestellt wurden, weiß ich leider nicht, und daher kann ich auch nur spekulieren, wie die zwei noch existierenden Exemplare nach Le Piastre und Chiusi gekommen sind. Beide stehen an wichtigen Passstraßen über den Apennin, und in Orten von touristischem Interesse. Chiusi ist ein bekannter Pilgerort: An der Stelle, wo sich heute das Franziskanerkloster La Verna befindet, soll Franz von Assisi seine Stigmata empfangen haben. Le Piastre wiederum liegt auf einer Art Panoramabalkon oberhalb von Pistoia, an der alten Strada Regia von Florenz nach Modena, über die man auch zu den Wintersportorten und Sommerfrischen im nördlichen Apennin gelangte.

Im Fall von Le Piastre könnte die Aufstellung des Brunnens auch mit dem Wirtschaftszweig zusammenhängen, für den das Dorf mal berühmt war: In den Bergen gab es zahlreiche ghiacciaie, tief unterkellerte Eishäuser, in denen man bis weit in den Sommer Eis lagern konnte. Der einträgliche Handel mit Eisblöcken für Gastronomie, Lebensmittelhandel und zahlungskräftige Privatleute existierte damals noch und fand erst mit dem Aufkommen von Kühlschränken und Tiefkühltruhen ein Ende.

Möglicherweise standen auch die anderen Brunnen an touristisch oder verkehrstechnisch relevanten Strecken. Wer immer die Idee dazu hatte, mußte sie auf jeden Fall vom damaligen Chef von Campari abgesegnet bekommen haben. Das war seit 1920 Davide Campari. Sein Vater Gaspare, ein Caféhausbesitzer in Novara und Mailand, hatte den roten Bitter 1860 zur Gründung des Königreichs Italien auf den Markt gebracht. (Auch der auf dem Brunnen genannte Cordial Campari ist übrigens eine, wenn auch weit weniger bekannte Erfindung von ihm: Ein süßlicher Erdbeerlikör, aufwändig in der Herstellung und deshalb vor einigen Jahren aus dem Programm verschwunden.)

Davide Campari war ein ambitionierter Unternehmer: Schon zu Lebzeiten seines Vaters trieb er die nationale und internationale Vermarktung der Marke Campari voran. Er war dabei – wie das Unternehmen bis heute gerne betont – ein Pionier des Marketing, der neue Methoden eifrig rezipierte und ausprobierte. Das brachte ihn in Kontakt mit den Futuristen, vor allem den Vertretern der zweiten Generation um Fortunato Depero, die futuristische Ästhetik für sämtliche Bereiche des alltäglichen Lebens fruchtbar machen wollten und darum besonders an Werbung und Design interessiert waren. Mit Depero hat Campari häufig zusammengearbeitet: Von ihm stammt zum Beispiel das Design der kleinen kegelförmigen Fläschchen, die man bis heute in jeder italienischen Bar bekommen kann. Depero war allerdings auch, was man nicht verschweigen sollte, ein bekennder Sympathisant der Faschisten: Noch 1943 veröffentlichte er mit A passo romano einen Band glorifizierender Lyrik.

Die Brunnen von Giuseppe Gronchi sind zwar eher vom Art Déco beeinflusst denn vom Futurismus. Modern ist an ihnen vor allem, dass sie ganz deutlich an die Gestaltung einer Zeitungsannonce angelehnt sind. Aber den Geist der Zeit kann man auch hier erkennen. Der Brunnen macht aus dem kommerziellen Produkt ein nationales Monument und verweist im Dekor auf eine antike und klassische Kontinuität. Campari als Hausmarke der Italianità: Das entspricht dem protektionistischen Geist der Wirtschaftspolitik Mussolinis, die ein Programm der Autarkie und Unabhängigkeit von ausländischen Importen umsetzte und dabei auch auf kulturkämpferische Parolen zurückgriff (zum Beispiel in der Formel von der battaglia del grano, der „Weizenschlacht“).

Kulinarische Produktwerbung als politische Propaganda: Etwa zur gleichen Zeit erscheint mit L’ora del Campari ein Werbesong, der sich ganz offen an den offiziellen Jargon anlehnt, als gelte es, den roten Bitter zum Getränk der Bewegung zu stilisieren. Die Stunde des Campari schlägt, „quando gli stranieri in carovana […]/Ammiran sui colli di Roma nuove glorie ed eterno splendor“ (wenn die Karawanen der Fremden/auf den Hügeln Roms die neue Herrlichkeit und den ewigen Glanz bewundern).

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