Three Degrees of Snoop Dogg


Social Networking im Rap: Eine US-Studie hat die Beziehungsgeflechte von Rap-Musikern untersucht und interessante Unterschiede zu den Netzwerkstrukturen in anderen Gruppierungen festgestellt. Wichtigster Aspekt: Rapper haben zwar viele Kontakte. Aber sie meiden den Umgang mit Kollegen, die gleich gut verdrahtet sind.

Der MIT-Forscher Reginald Smith hat sich Texte und Credits in Hip-Hop-Archiven angeguckt und ausgerechnet: Im Schnitt sind Rap-Musiker nur jeweils 2,9 Kontakte voneinander entfernt, ein ähnlich niedriger Wert wie etwa bei Filmschauspielern (2,5) und niedriger als bei Top-Managern (3,6). Das ist kein Wunder: Rap ist wie Jazz eine kollaborationsfreudige Szene, kaum ein Rapper, der nicht gerne auf CDs und in Videos anderer Kollegen auftritt.

Das hat aber Grenzen: Schwach ausgeprägt ist bei Rappern die sogenannte „Assortativität“. Damit mißt man, wie gemischt die Beziehungen zwischen Netzwerkmitgliedern mit zahlreichen Kontakten und solchen mit wenigen Kontakten sind. In den meisten Netzwerken – zum Beispiel unter Wissenschaftlern oder Managern – tendieren gut „konnektierte“ Mitglieder in der Regel dazu, Verbindungen vor allem zu denen zu suchen, die ihnen ähnlich sind.

Nicht so bei Rappern: Je besser verdrahtet ein Rapper ist, desto mehr neigt er dazu, den Kollegen auf seinem Level aus dem Weg zu gehen. Das kann man zum einen mit dem Konkurrenzdenken und der Rivalität unter erfolgreichen Rappern erklären. Zum anderen organisieren viele Rapper ihre Clans auch nach einem paternalistischen Muster: Wer es geschafft hat, fördert die Kumpels, die noch nicht so weit oben stehen, organisiert sein Netzwerk also eher vertikal als horizontal.

Die Familie oder der Kiez ist das typische Modell, in dem Rapper ihr Netzwerk darstellen, und ich denke mal, dass sich Smiths Ergebnisse auch bei anderen gesellschaftlichen oder ethnischen Gruppierungen finden lassen, die ähnlich organisiert sind. In Italien gibt es den Satz, dass in Norditalien derjenige am meisten gilt, der am besten verdient, im Süden dagegen derjenige, der am meisten zu sagen hat. Die Rap-Szene liegt so zwischen diesen Polen: Es gibt die smarten Entrepreneure, aber auch die Gangland- und Mezzogiorno-Charaktere. Es ist interessant, dass in Smiths Liste der 50 Rapper mit den meisten Kontakten diejenigen vorne liegen, die eher so den „Gang“-Typus verkörpern (Snoop Dogg, 2Pac), während die „Unternehmer“-Typen (Missy Elliot, Puff Daddy) mehr im Mittelfeld gelandet sind. (Wobei die Studie sicher nicht repräsentativ ist.)

Interessant wird es, wenn man von dieser Studie ein bißchen weiterdenkt: Die meisten Web-2.0-Konzepte fußen auf dem Modell eines Netzwerks mit hoher Assortativität. Da stellt sich die Frage, ob diese Konzepte auf Netzwerke, die anders strukturiert sind, ohne weiteres übertragen werden können. Oder was müßte man modifizieren, damit Snoop und seine Homies bei del.icio.us taggen?

Die Studie kann man hier herunterladen (als PDF), eine Zusammenfassung gibt es in der Zeitschrift Nature. Via Collision Detection.

5 Antworten

  1. Hmm, Rapper sind also eher Yahoo! My Web 2.0 als del.icio.us.

    Mich würde interessieren, wie du die Web 2.0 Dienste entlang einer Assortativitätsskala klassifizieren würdest.

  2. Rap = Yahoo? Ist Rap nicht eher Google, im Sinne von: Respect für den, der die meisten Props kriegt?

    Das andere: Puuuh, ganz schwere Frage. Allgemein gesprochen, würde ich sagen, viele Dienste gehen von Netzwerken aus, in denen Wissen und Information unter gleichberechtigten und in etwa gleichrangigen Teilnehmern verteilt werden, also so das Ideal des wissenschaftlichen Netzwerkes. Das gilt auch für die verteilten Informationen selbst: Zum Beispiel wird bei den Tags ja immer davon ausgegangen, dass das reine Platzhalter sind und darum für jeden unmittelbar verständlich. Dass es auch ironische, doppeldeutige, mißverständliche oder schlicht fehlerhafte Verwendungen des Tagging geben könnte, kommt in der Diskussion noch fast gar nicht vor.

    Ich würde sagen, dass die meisten Dienste zumindest von Leuten gemacht werden, die in Netzwerken mit hoher Assortativität zu Hause sind. So ganz über den Daumen gepeilt, scheint mir, dass die reinen Sharing-Tools (del.icio.us, Flickr) am deutlichsten dafür stehen. Während man vielleicht bei den Meme-Tools (Technorati, Memeorandum) noch am ehesten Verhaltensweisen finden kann, die mit Rap vergleichbar sind (zum Beispiel das Scharen um bestimmte Szenegrößen). Das müßte man sich aber wirklich mal genau anschauen.

  3. Mit Yahoo My Web 2.0 im Sinne, dass sie sich in Trauben organisieren, dort kann man ja die Sichtbarkeit der Links auf privat setzen, oder auf seine Bekannten und Verwandten einschränken.

    (eigentlich fehlt eine komplementäre Studie, die auswertet, wie sich die Props und/oder Disses in den Lyrics verteilen, ich schätze mal da kommt ein anderes Bild heraus)

    „Dass es auch ironische, doppeldeutige, mißverständliche oder schlicht fehlerhafte Verwendungen des Tagging geben könnte, kommt in der Diskussion noch fast gar nicht vor.“

    Meine Heuristik dazu: das ist (zumindest für den Normalverbraucher) vernachlässigbar. Aggregiert sind die Tags oft erstaunlich gut (sieht man z.B. wenn man sich die common tags für eine URL anschaut).

  4. Man sollte die Rap-Vergleiche auch nicht überstrapazieren, dazu ist die Szene dann doch zu breit gefächert. Und nicht alle Rapper thematisieren ihre Freund- und Feindschaften so ausgiebig, wie z.B. Gangsta-Rapper das tun, darum ist eine statistische Auswertung der Lyrics sicher nicht wirklich repräsentativ.

    Was die Tags angeht, stimmt es natürlich, dass über die Aggregation ein korrektives Element ins Spiel kommt. Das ist ja auch die Stärke des Systems. Meine Frage war eher von der anderen Seite her gedacht: Kann man Tags auch für mehr nutzen, als Informationen nur zu kennzeichnen? Z.B. auch zu steuern, wen welche Information erreicht und unter welchen Vorzeichen sie wahrgenommen wird? Ist es relevant, ob ich Bush als „US-Präsident“, „großer Stratege“ oder „Idiot“ markiere?

    Die Frage vom Autor her zu stellen statt vom Nutzer, ist natürlich eher Web 1.0, aber für ganz vernachlässigbar halte ich den Aspekt trotzdem nicht.

  5. Das vom Autor her aufzuziehen finde ich pers. überhaupt nicht weniger sozial/2.0 als vom Nutzer. Gerade weil jeder mit seinem egoistischen Tagverhalten eine individuelle Sinnstiftung vornimmt, funktioniert das ja so gut, und eben auf mehreren Ebenen (microskopisch reichhaltig, wenn man sich auf den Autor einstellt; und macroskopisch irgendwie konsensuell).

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert